Geschichte heute?

Geschichte, Geschichtlichkeit bezeichnet etwas Vergangenes und zugleich Wirksames. Sie ist konstituierend für gesellschaftliche und politische Prozesse der Gegenwart einer Nation, so wie bspw. der Sturm auf die Bastille für die Franzosen heute weiterhin den Gründungsmythos, das fortbestehende Narrativ  einer Gesellschaft freier und gleicher Bürger darstellt.

Friedrich Nietzsche hat der Rolle der Historie prägnanten Ausdruck verliehen:

„Und dies ist ein allgemeines Gesetz; jedes Lebendige kann nur innerhalb eines Horizontes gesund, stark und fruchtbar werden; ist es unvermögend, einen Horizont um sich zu ziehen, und zu selbstisch wiederum, innerhalb eines fremden den eigenen Blick einzuschließen, so sieht es matt oder überhastig zu zeitigem Untergange dahin. Die Heiterkeit, das gute Gewissen, die frohe Tat, das Vertrauen auf das Kommende – alles das hängt, bei dem einzelnen wie bei dem Volke, davon ab, dass es eine Linie gibt, die das Übersehbare, Helle von dem Unaufhellbaren und Dunkeln scheidet ; … „[1]

Es ist wahr : Erst dadurch, dass der Mensch denkend, überdenkend, vergleichend, trennend, zusammenschließend jenes unhistorische Element einschränkt, erst dadurch, dass innerhalb jener umschließenden Dunstwolke ein heller Lichtschein entsteht – also erst durch die Kraft, das Vergangene zu Leben zu gebrauchen und aus dem Geschehenen wieder Geschichte zu machen, wird der Mensch zum Menschen.“[2]

Stimmt das? Und: Was ist Geschichte für uns heute?

[1] Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen, Vom Nutzen und Nachteil der Historie; GW, Bd. 1, S. 117
[2] ebd. S. 118