Dialektik des Lebens

Memento Mori

Das Leben erscheint als sinnhafter, selbstreferentieller Prozess und unterscheidet sich damit von der unbelebten Materie, wie sie bspw. in nicht fassbaren Mengen als Materieklumpen durch das Weltall treibt oder der menschengemachten Welt der Maschinen.

Für Immanuel Kant ist das Leben das „Vermögen einer Substanz, sich aus einem inneren Prinzip zum Handeln, […] zur Veränderung […] zu bestimmen.“

Die mechanistische Logik der modernen Naturwissenschaften gibt zunächst nur verifizierbare Beobachtungen zu Bewegungsgesetzen der toten oder belebten Materie wieder, mit der aber das dahinter liegende Movens des Werdens und des Möglichen nicht erfasst wird. Die Frage nach dem ‚Warum der Bewegungsgesetze‘ selber, der Prozessualität des Lebens oder der selbstreferentiellen Möglichkeit „zum Handeln“, „zur Veränderung“ kann über reine Wissenschaft nicht erfasst werden.

Dem korrespondiert bspw. durchaus aktuell die Sehnsucht nach unmittelbarer menschlicher Welterfahrung und -aneignung sowie alternativer, weil intuitiver Wissensproduktion – bspw. in der Alternativmedizin.

Wie verhält sich aber die Betrachtung des unbekannten, enigmatischen ‚Warum‘ („Ding an sich“ bei Kant), wenn die neuen Technowissenschaften (= Verbindungen von technologischen, wissenschaftlichen und ökonomischen Praktiken) die Natur als Werkzeugkasten verstehen, in der die Evolution durch menschengemachte „Re-Designs“ auch unter ökonomischen Gesichtspunkten optimiert werden soll? Wenn es nicht mehr um Verstehen der Natur, sondern um ihr „Engineering“ geht. Das individuelle Leben soll konstruktiv modelliert werden, z.B. durch Psychotechniken, das Design von Emotionen und Gedanken, durch Designer-Babies, Genetic Engineering, Xenotransplantation und nachgezüchtete Organe.

Was bedeutet es für das menschliche Selbstbewusstsein, wenn Maschinen selbstreferentielle, entwicklungsfähige Prozesse beinhalten und Menschen künstliche von Maschinen gefertigte Bestandteile, Maschinenbestandteile, in sich tragen ? Wenn also die Negation des Lebens, unbelebte Materie, Teil des menschlichen Lebens geworden ist.