Be lucky, be the lucky man ! Eudaimonie und hedone.

Terrasse im Restaurant Jacob an der Elbchaussee in Hamburg, Max Liebermann, 1902-1903

In der individualisierten Gegenwart wird sich oft derjenige für glücklich halten, der sein Leben selber so oder jedenfalls positiv nur empfindet. Glück wird durch Macht, Reichtum, Ruhm oder voluntaristisch als Wunscherfüllung oder hedonistisch als Wohlbefinden bestimmt. Immanuel Kant charakterisiert die subjektive „Glückseligkeit als Zustand eines vernünftigen Wesens, dem es im Ganzen seiner Existenz alles nach Wunsch und Willen geht.“ (Kritik der praktischen Vernunft, A 224).

Tatsächlich könnte man meinen, dass ein größerer Teil der Zeitgenossen zu komplexeren Bewertungen neigt. Glück könnte daraus gezogen werden, dass neben das unmittelbare körperliche oder sinnliche Empfinden inhaltliche Wertungen treten, wie Wünsche, ästhetische Sichtweisen oder moralische an die Allgemeinheit gerichtete Ansprüche oder auch die Einsicht, dass zum eigenen Glücksempfinden auch das definierter Mitmenschen gehört. In einer erweiterten subjektiven Betrachtung müsste der einzelne Mensch derlei Qualitäten und Komplexitäten für sein Glücksempfinden für wichtig halten.

In den philosophischen Texten der Antike steht die Eudaimonie, also Glück oder Glückseligkeit, für eine gelingende Lebensführung nach den Anforderungen und Grundsätzen einer je unterschiedlichen philosophischen Ethik und den damit verbundenen ausgeglichenen Gemütszustand. Der Mensch soll sich autark richtig verhalten.

Für Aristoteles [* 384 v. Chr., † 322 v. Chr.]  musste das richtige Handeln von Tugend, aber auch von „hedone“, angenehmen Gefühlen oder der Lust am richtigen Tun, begleitet sein. Lust ist durchaus auch hedonistisch das, was empfunden wird, wenn ein Begehren oder Mangel befriedigt wird. Eudaimonie erreicht, wer lernt, übt, ethisch handelt und damit „hedone“ erfährt.

Auch äußere Faktoren und die „Tauglichkeit“ des eigenen Körpers sind von Bedeutung. Man muss es sich leisten können, tugendhaft zu sein. Tugend und Glück begünstigend wirken daher :

Edle Herkunft, zahlreiche und wertvolle Freundschaften, Reichtum, gute und zahlreiche Nachkommen, gute Lebensverhältnisse im Alter, Gesundheit, Schönheit, Stärke, Ansehen, Tüchtigkeit und günstige Schicksalsfügungen. (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1. Buch, Nr. 9)

Die Freundschaft hielt Aristoteles für das wichtigste unter den äußeren Gütern. Für den Glücklichen komme nur ein soziales Leben in Betracht. Es sei besser, das Leben in einer Gemeinschaft von Freunden zu verbringen, als unter Fremden und zufälligen Bekannten.

Das antike Glück des Aristoteles unterscheidet sich fundamental vom postmodernen : Wo die einen nach einer (gut situierten) Ethik, also allgemeinen Normen streben, bewertet das postmoderne Individuum sich ausschließlich selbst. Die beliebige Atomisierung des beliebigen Einzelnen, seine faktische Subsumtion unter die Verwertungsmechanismen der globalen Wirtschaftsordnung akzeptiert in der Konsequenz auch finale Abwesenheit ethischer Grundlagen. Die Postmoderne ist unglücklich.

Glück wartet mutmaßlich dort, wo sich ethisches Handeln in der Individualität des kollektiven normativen Wertesystems abbildet. Das Bürgertum des 19. (und frühen 20.) Jahrhunderts prägte die „bürgerliche Weltanschauung“ aus, die eng mit den „bürgerlichen Tugenden“ Leistung, Fleiß und Redlichkeit verbunden ist. Dabei formte sich ein breites, lesendes Bildungsbürgertum heraus, das auch Kritik an den vorherrschenden Vorstellungen und Ideen zu formulieren vermochte. In Wirtschaft und Gesellschaft setzte es seine Ideen von Demokratie (Volkssouveränität), Menschenrechten, Rechtsstaat und Liberalität durch. Mit ihm entstanden neue Kunstformen in Malerei, Literatur und Musik. Auch die heutige „Mittelschicht“ der Postmoderne lebt die Reste des bürgerlichen Wertekanons des 19. Jahrhunderts.

Was kommt nach dem bürgerlichen Zeitalter ?