Hesiod (*700 v.Ch.) aus Askra in Böotien ist der erste namentlich bekannte Dichter in der Geschichte der Weltliteratur. Chaos ist für Hesiod die „gähnende, klaffende Leere des Raumes“ (Theogenie, 116 ff.), in dem alles Weitere entsteht – der Raum zwischen Erde und Himmel (ebd., 770 ff.) – oder : ein Raum der Möglichkeiten.
Gefühlschaos gilt dem Menschen auch in der Liebe als Bezeichnung für sich schnell und ungeordnet abwechselnde Emotionen und Gefühle. Jedes für sich genommen scheint keinen Sinn zu haben.
Gefühlschaos kann als Moment der Neuorientierung, als Raum der Möglichkeiten, begriffen werden. Nach einer Weile ordnet es sich – oder man lernt Strategien zu entwickeln, um ihm zu entkommen.
Phasenhaftes Gefühlschaos ist wertvoll und leitet neue (eigene) Entwicklungen ein. Im besten Fall wird Chaos Ausgangspunkt, alte Gleise zu verlassen und nachher einen Zustand fortgeschrittener Ordnung herzustellen. Im Prozess der Selbstbestimmung von individuellem Sinn, Selbstvergewisserung, formt sich zunächst die Differenz von Sinn und Welt, von Ordnung und Störung, von Information und Rauschen. Die Gegensätze, das Chaos, bilden eine Einheit, in dem Neues Wirklichkeit wird …
„Und ich sollte ohne Ruhe sein von nun an,
Verloren ohne Hoffnung mir an Fremdes
Die Seele meiner Jugend! Ach! ich fühlt
Es itzt, wie es geworden war mit mir.
Dem Adler gleich, der in die Wolke fliegt,
Erschien und schwand mir aus dem Auge wieder,
Und wieder mir des hohen Fremdlings Bild,
Daß mir das Herz erbebt‘ und ich umsonst
Mich fassen wollte. „Schliefst du gut, mein Kind!“
Begrüßte nun der gute Vater mich,
Und gerne wollt ich auch ein Wort ihm sagen.
Die Tränen doch erstickten mir die Stimme,
Und in den Strom hinunter mußt ich sehn,
Und wußte nicht, wo ich mein Angesicht
Verbergen sollte.“
(Friedrich Hölderlin, Emilie vor ihrem Brauttag, 1799, Zeilen 249 – 263)