Schon das Alte Testament formuliert ein göttliches Gebot, das sich an die ersten Menschen im urzeitlichen Paradies richtete – appellierend an die menschliche Einsicht zur Unterscheidung in Gut und Böse: „Von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen.“
Für Immanuel Kant entspringt das Gute aus der Freiheit des vernünftigen Willens, das Richtige zu tun, also aus dem Pflichtbewusstsein :
„Es ist überall nichts in der Welt, […] was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als ein guter [= dem moralischen Imperativ folgender] Wille.“ (Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1785, BA 1)
Die Schwierigkeit, der Kant versucht, in der Schrift ‚Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft‘, selber entgegen zu treten, entsteht daraus, dass damit einer guten Pflicht die bösen Neigungen entgegen gestellt werden. Ein bestimmtes Gutes muss über kognitive Prozesse gewollt werden. Das Ergebnis ist irrelevant. Das Schlechte wäre, so könnte man meinen, was einfach nur so – gefühlt – passiert. Das insoweit zunächst nur abstrakte Gute ist eine moralische Hypothek, die die abendländische Kultur bis heute prägt.
Dies gilt auch deshalb, weil das gewollte Gute, das Richtige, in Abhängigkeit von den Umständen je anders festgelegt werden kann. Das Gute wird damit moralisch schwierig, wenn nicht gar zu einem politischen Problem. Nietzsche formulierte hierzu :
„Vielmehr sind es ‚die Guten‘ selber gewesen, das heißt die Vornehmen, Mächtigen, Höhergestellten und Hochgesinnten, welche sich selbst und ihr Tun als gut, nämlich als ersten Ranges empfanden und ansetzten, im Gegensatz zu allem Niedrigen, Niedrig-Gesinnten, Gemeinen und Pöbelhaften.“ (Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, in : Werke in 2 Bd., C. Hanser Verlag, S. 185)
Sollte das Gute dann nicht besser reine Privatsache sein ?
Nicht unbedingt, wenn man dem griechischen Philosophen Aristoteles (* 384 v. Chr.; + 322 v. Chr.) folgen möchte, der vor mehr als 2000 Jahren das Gute, das gute Leben, als inhaltliche Übereinkunft im bewussten Tätigsein der Menschen beschrieben hat :
„… wenn wir aber als Funktion des Menschen eine bestimmte Lebensweise ansetzen, und zwar eine Tätigkeit der Seele und Handlungen mit Vernunft, … dann ist das Gut für den Menschen eine Tätigkeit der Seele gemäß der Tüchtigkeit; wenn es aber mehrere Arten von Tüchtigkeit gibt, dann gemäß der besten und der zielhaftesten; und das noch dazu in einem vollen Menschenleben. … Auf diese Weise sei also das Gut umrissen. Man muss wohl zuerst eine Skizze entwerfen und diese dann genauer ausführen. Ist das einmal gut skizziert, so darf man wohl annehmen, dass ein jeder imstande ist, es selbst fortzuführen und auszuarbeiten, und dass die Zeit dabei eine treffliche Entdeckerin und Helferin ist.“ (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1098 a ff.)
Werde du selbst. Tue Gutes.