Arbeit bildet.

Im Gleichtakt. Phaeno Wolfsburg. Fotograf Dr. Achim Sohns

Arbeit ist, nach Karl Marx, ein expressiver Akt, in dem der Mensch seine inneren Kräfte und Eigenschaften – sein Wesen –  nach außen projiziert und im (Werk-)Stoff umsetzt. Aber auch seine Eigenschaften selber werden durch die Arbeit erzeugt. Die Arbeit verbindet ihn mit den anderen Menschen und mit der Natur.

Der Mensch setzt in der Arbeit nicht nur seine Kraft ein, sondern entwickelt sich in ihr. Seine Bedürfnisse und Fähigkeiten sind Produkte der Arbeit. Der Mensch ist, was er arbeitet. Die Art der alltäglichen Arbeit – körperlich oder geistig, verwaltend oder kreativ – bringt bestimmte Menschenbilder hervor.

Arbeit bildet.

Da dies für alle Menschen gilt und diese gemeinsam in bestimmten Gesellschaftsformen zusammen leben, werden in der Arbeit allgemeine Menscheneigenschaften und -potenzen sichtbar und verwirklicht. Arbeit ist, so Marx, immer auch eine gesellschaftliche, soziale Tätigkeit – auf der jeweiligen Stufe der Produktivkräfte.

„Die Arbeit ist [so Marx]  zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eigenen Botmäßigkeit.“ (Kapital, Bd. 1, S. 92)

Der Mensch muss sich, um leben zu können, mit den Dingen auseinandersetzen, um sie seinen Zwecken gemäß umzuwandeln. Während er das tut, zwingt er ihnen seine Ideen auf. Er wird folglich in seiner menschlichen Umgebung reflektiert; sie ist seine schöpferische Leistung.

Was passiert aber in einer Gesellschaft, der durch die Technologisierung der Arbeitsprozesse die Arbeit ausgeht ? Wenn, nach Marx, nur Arbeit Sinn macht, wird die menschliche Existenz dann sinnlos ? Die Mitglieder unserer Wohlstandsgesellschaft, die sich in den kollektiven Arbeitsformen nur mehr als Individuum und nicht mehr als kollektives Wesen wahrnehmen, müssten wohl ein neues Selbstverständnis entwickeln, um soziale, Familien- oder Bürgerarbeit als gleichwertige Formen von Arbeit anzuerkennen. Der ausschließlich ökonomisch-instrumentelle Arbeitsbegriff müsste überwunden werden.